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Birseck in Flammen – Walrams Flucht

An jenem verhängnisvollen Tag im Oktober 1356 begegnen Walram von Thierstein und Werner von Bärenfels einem Priester. der sie wegen ihres Hochmuts warnt. Am Abend erschüttert ein gewaltiges Erdbeben die Region. Walram sieht sich den Folgen seines Stolzes gegenüber.

Die Herren und ihre Jagd

An dem Tag, das sag ich euch, lag etwas in der Luft. Walram von Thierstein, der Schlossherr von Pfeffingen, war unterwegs. Ein sturer Bock, der sich nichts sagen liess. Ein rücksichtsloser Rüpel, der gewohnt war, dass sich alles und jedes nach seinem Willen richtet. An seiner Seite ritt Werner von Bärenfels, Herr der gleichnamigen Burg. Der Bruder des Basler Bürgermeisters war ein Mann, der für seinen Stolz bekannt war. Zusammen ritten sie ausgelassen und laut die Landstrasse entlang, ihr Lachen hallte zwischen den Bäumen wider. Die beiden hatten eine erfolgreiche Jagd hinter sich, ihre Pferde trugen schwer an der Beute, ihr Ton war ruppig und überheblich.

Die unheimliche Prophezeiung

Die Pferde stampften voran, ihre Hufe schlugen auf den harten Boden, als plötzlich eine Gestalt den Weg blockierte. Da stand er – ein Priester. Hager, mit ernster Miene, die Schultern gerade, als würde er einem Unwetter trotzen. Sein dunkles Gewand hing schwer herab, und seine Augen blickten streng, fast durchdringend. Die Herren hielten ihre Pferde an, nicht aus Respekt, sondern aus Neugier.
„Ihr Herren“, begann der Priester, seine Stimme ruhig, aber hart wie ein Stein. „Ihr lärmt und benehmt euch wie Männer ohne Anstand. Euer Stolz wird euch ins Unglück führen. Hütet euch, bevor es zu spät ist.“
Walram zog die Zügel an und beugte sich leicht nach vorn, sein Grinsen war spöttisch. „Zur Seite, Gottesmann! Predigt euren Schäfchen, nicht uns!“ Werner liess ein lautes Lachen hören. „Seht euch den Kerl an! Will uns ein Priester belehren? Glaubt er, wir knien hier nieder?“ Seine Stimme war voll Verachtung, seine Augen blitzten vor Spott.

Der Priester wich keinen Schritt. Seine Worte wurden fester, seine Stimme schien stärker als die beiden Edelleute. „Ihr seid blind vor Hochmut. Das Schicksal wird euch zur Demut zwingen.“

Walram schnaubte. „Vielleicht sollte ich dich mitnehmen, Priester. Damit du siehst, wie man wirklich lebt!“ Werner rief: „Was weiss er schon vom Leben? Lass ihn stehen, Walram!“ Die Herren trieben ihre Pferde an und ritten weiter.


Zweifel im Schatten

Als sie sich Basel näherten, zog Walram die Zügel an. Sein Gesicht war ernst, und sein Blick schweifte zurück, wo sie den Priester getroffen hatten. „Ich reite zurück“, sagte er leise, mehr zu sich selbst als zu Werner. „Ich will hören, was er noch zu sagen hat.“ Werner drehte sich im Sattel um, seine Augen voller Ungläubigkeit. „Du willst dich entschuldigen? Für was? Für das, was wir immer tun? Für wer du bist?“ Walram gab keine Antwort. Ohne zu zögern, wendete er sein Pferd und ritt zurück.

Der Weg lag verlassen. Der Wind lag still, die Schatten der Bäume standen starr. Kein Rascheln, kein Laut. Es wirkte, als hätte es den Priester nie gegeben. Walram sass reglos auf seinem Pferd. Ein flaues Gefühl kroch in seine Brust. Seine Stirn war feucht, und er atmete schwer, bevor er sich abwandte. Er sprach kein Wort, aber seine Gedanken kreisten unaufhörlich um den Priester.

Das Erdbeben

Am Abend bebte die Erde. Ich sag euch, es bebte richtig! Der Boden unter Pfeffingen wackelte wie wild. Die Mauern wankten. Mit einem gewaltigen Krach – einem Chlapf, wie ihr ihn noch nie gehört habt – krachte der Turm in sich zusammen. Walram, der kräftige Kerl, wurde in den Trümmern herumgeschleudert. Staub und Steine flogen durch die Luft. Als das Beben endlich aufhörte, flackerte der rote Feuerschein der brennenden Burgen in der Nacht. Und glaubt mir, so etwas vergisst man nie. Die Luft war schwer von Rauch und Asche. Über Pfeffingen hinaus brannten überall Feuer im Birseck, als stünde das ganze Tal in Flammen. Der Himmel über Basel glühte rot, ein Leuchten, das die Sterne verblassen liess. Der Wind brachte den scharfen Geruch von verbranntem Holz und das Krachen einstürzender Mauern mit sich.

Das Erdbebenkreuz

Walram stand da. Die Hände schmutzig, die Knie zitternd. Schweiss mischte sich mit Staub und Tränen auf seinem Gesicht. Ich sag’s euch: Die Hitze war unerträglich. Die Flammen fraßen alles Leben. Jeder Atemzug brannte in der Brust, die Luft fühlte sich an, als ob sie einen ersticken wollte. Die Feuer leuchteten überall wie eine Bande, die das Land eroberte. Es war unheimlich still. Man hörte nur das Prasseln der Flammen, das Stöhnen und Schreien der Verletzten.
Werner von Bärenfels wurde tot in den Trümmern seiner Burg geborgen. Seine stolze Festung stürzte ein, und er wurde begraben. Walram erinnerte sich an die Worte des Priesters. Es war, als hätten die Flammen den Satz in die Nacht geschrieben: „Euer Stolz wird euch ins Unglück führen.“ Ein Schauer lief ihm über den Rücken, und es war, als würde die Stimme des Priesters jetzt von den Flammen getragen, die um ihn herum wüteten.

Noch am selben Tag liess Walram an der Stelle, wo sie dem Priester begegnet waren, ein hölzernes Kreuz errichten. Es steht bis heute in Reinach. Zur Mahnung, dass Stolz und Hochmut ins Verderben führen.

Baschta! So isch’s!

Birseck in Flammen. Erzählung am Stammtisch. © Heimatmuseum Aesch, 2024,  CC BY-ND 4.0 
Frei nach der Legende über das Erdbebenkreuz in Reinach